„Angefahren werden ist keine Straftat. Antifaschistischen Protest entkriminalisieren.“

„Angefahren werden ist keine Straftat. Antifaschistischen Protest entkriminalisieren.“

Bei einer Blockade gegen die AfD wurden Teilnehmer von einem Autofahrer bewusst gefährdet. Statt den Fahrer zu verfolgen will die Mülheimer Polizei Blokadeteilnehmer für Schäden an dessen Fahrzeug verantwortlich machen.

Aufstehen gegen Rassismus Essen hat am 5. Juli 2021 eine Kundgebung vor dem Amtsgericht in Mülheim durchgeführt. Das Motto: „Angefahren werden ist keine Straftat. Antifaschistischen Protest entkriminalisieren.“

In der abschließenden Pressemitteilung  wirft „Aufstehen gegen Rassismus Essen“ der Mühlheimer Polizei deutlichFehlverhalten vor:

Text der Pressemitteilung:

Mülheim, 5. Juli 2021. Aufstehen gegen Rassismus Essen rief heute vor dem Mülheimer Amtsgericht zu einer Kundgebung unter dem Motto „Angefahren werden ist keine Straftat!“ auf. Mehr als 50 Menschen folgten dem Aufruf und zeigten sich mit den beiden Angeklagten solidarisch, die im Nachgang des AfD-Bürgerdialogs unter anderem wegen mutmaßlicher Sachbeschädigung angeklagt sind.

Am Rande des AfD-Bürgerdialogs war ein Autofahrer in eine Gruppe von Antifaschist:innen gefahren, die die Zufahrt zum Parkplatz des Veranstaltungsorts, der Mülheimer Stadthalle, blockiert hatten. Zwei Teilnehmer der Blockade stehen heute vor dem Mülheimer Amtsgericht unter anderem wegen mutmaßlicher Sachbeschädigung am Auto des AfD-Sympathisanten vor Gericht. Gegen den Autofahrer, der sein Auto Augenzeugenberichten zufolge mutwillig in die Menschen lenkte, scheint nicht ermittelt zu werden. Die Polizei Mülheim/Essen erwähnte damals in ihrer Pressemitteilung lediglich die Sachbeschädigung, nicht aber den mutwilligen Angriff auf Antifaschist:innen.
Vor Beginn des Prozesses hielten mehrere Organisationen oder Einzelpersonen Redebeiträge. Unter anderem sprach Clemens Jost von der Linksjugend [‘solid] NRW, der im Oktober 2019 von dem AfD-Sympathisanten angefahren wurde und ärztlich behandelt werden musste: „Der Tag hat Spuren hinterlassen. Doch ich weiß bis heute nicht, ob der Angriff oder das Agieren der Polizei mich mehr schockiert hat. Die Reaktion zeigt doch, dass wir dem Staat zumindest soweit vertraut haben, dass er solche gefährlichen Angriffe nicht toleriert. Aber wir wurden bitter enttäuscht.“
1Johannes Happel von Aufstehen gegen Rassismus Essen stellt die Frage: „Warum wurde trotz vorhandener Hinweise nicht gegen den Autofahrer ermittelt? Der Verdacht liegt nahe, dass die Polizei sich bewusst auf die Seite des AfD-Anhängers gestellt hat.“ Er sprach auch die im letzten Jahr aufgedeckten rechtsextremen Chatgruppen der Polizei Essen/Mülheim an: „Wir wollen wissen: Waren am 29. Oktober 2019 Beamte vor Ort, die in den Fokus der Ermittlungen geraten sind?“
Auch das Bündnis Versammlungsgesetz NRW unterstützte den Aufruf zur Kundgebung und sprach ebenfalls das angespannte Verhältnis zur Polizei an: „Nur weil sie sich für ihre Rechte, für eine bessere Welt und gegen Faschisten einsetzen, werden Menschen kriminalisiert. Das sehen wir immer wieder.“ Sie berichtete auch über die Demonstration des Bündnisses am 26. Juni in Düsseldorf, an der mehr als 8.000 Menschen teilnahmen: „Die Strategie der Polizei war von Anfang an, gewaltsam zu eskalieren und ihre Macht zu demonstrieren. Die Versammlungsfreiheit, sowie die Pressefreiheit, wurden mit Füßen getreten, niedergeknüppelt, krankenhausreif geschlagen, festgenommen und stundenlang in einem menschenverachtenden Polizeikessel festgehalten.“
Aufstehen gegen Rassismus Essen, die mehr als 40 Unterstützer:innen und die Teilnehmer:innen der Kundgebung sind sich einig: „Diese Vorverurteilung von antifaschistischem Protest durch Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen und werden wir nicht hinnehmen!“
Der Aufruf zur Kundgebung wurde von folgenden Organisationen und Einzelpersonen unterstützt:
– Antifa Essen
– Antifa Witten
– Antirassismus Telefon Essen
– Attac Bielefeld
– Aufstehen gegen Rassismus
– Aufstehen gegen Rassismus Kleve
– Aufstehen gegen Rassismus Niederrhein
– Aufstehen gegen Rassismus Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf
– AZ Mülheim
– Bewegungslinke NRW
– Bündnis Versammlungsgesetzt NRW stoppen
– Christine Buchholz (MdB)
– DIE LINKE. Essen
– DIE LINKE im Rat der Stadt Essen
– DIE LINKE. Mülheim
– Die PARTEI Kreisverband Essen
– Die PARTEI im Rat der Stadt Essen
– ES REICHT – Oberhausen solidarisch gegen Rechts
– Essen stellt sich quer
– Fridays for Future Essen
– Fridays for Future Mülheim
– Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung
– Grüne Jugend NRW
– Initiative Polizeibeobachtung Bochum
– Internationalistische Bündnis Essen/Mülheim
– Kein Bock auf Nazis
– Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V.
– Linksjugend [’solid] NRW
– LinkeVernetzungNRW
– Migrantifa Duisburg
– Migrantifa NRW
– MLPD Kreisverband Essen/Mülheim
– Naturfreundejugend NRW
– Niema Movassat (MdB)
– Rechercheplattform zur Identitären Bewegung (ibDoku)
– Rote Hilfe e.V. OG Düsseldorf & Neuss
– Rote Hilfe e.V. OG Oberhausen/westl. Ruhrgebiet
– SDS Bochum
– SDS Düsseldorf
– Seebrücke – Schafft Sichere Häfen
– Seebrücke Essen
– VVN-BdA Essen
– VVN-BdA Mülheim
– ZSK

 

Unsere Einschätzung dazu

Das Anti-Rassismus-Telefon hat die Proteste unterstützt und in einer Rede auf der Kundgebung nochmals seine Sorge für die Entwicklung in der Gesellschaft ausgedrückt.

Wir erklären uns hiermit mit den Angeklagten solidarisch. Wir empfinden es ebenso als skandalös, dass am gleichen Tag Antifaschisten wegen Verstoß gegen das Vermummungsverbot und Beleidigung schuldig gesprochen wurden. Wir stimmen „Aufstehen gegen Rassismus“ zu in der Einschätzung, dass hier pauschal Aktivisten gegen Rechts verfolgt und verurteilt werden. Wir hoffen dass diese Fehler im weiteren juristischen Verlauf (z.B. durch Berufungen) zurückgenommen werden.

 

Weitere Informationen finden Sie auch

  • „Angefahren werden ist keine Straftat“ – die oben zitierte Pressemitteilung nach der Kundgebung (PDF, AgR-Essen, 05. Juli 2021)
  • Auch in der Pressemitteilung zur Verurteilung von Aktivisten wegen Vermummung und Beleidigung wird die strafrechtliche Verfolgung des Autofahrers verlangt. (PDF, Agr-Essen, 05. Juli 2021)
  • Der vorherige Aufruf zur Kundgebung unter dem Motto „Angefahren werden ist keine Straftat!“ (PDF, Agr-Essen, 17. Juni 2021)
  • Konsequenterweise fragte sich „Aufstehen gegen Rassismus“, inwiefern es einen Zusammenhang geben kann zwischen der aktuellen Verfolgung von Antifaschisten und dem NRW-Polizeiskandal (PDF, Agr-Essen, 30. Juni 2021).
  • In einer Rede bei der Kundgebung am 05.07 drückte das Anti-Rassismus-Telefon seine Besorgnis aus:  Die Institutionen, die für die Sicherheit der Menschen zuständig sind,  entwickeln sich zunehmend selbst zum Sicherheitsrisiko (PDF Anti-Rassismus-Telefon 05.07.2021)