Zu dem Tod von Enrico Pieri

Zu dem Tod von Enrico Pieri

Wieder einmal ist ein wichtiger Zeitzeuge gestorben.

Enrico Pieri war Überlebender eines Massakers der deutschen Wehmacht im italienischen Dorf Sant‘Anna di Stazzema. Zu lange ist die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in Deutschland und in Italien behindert und verhindert worden. Enrico hat durch seine unermüdliche Arbeit dazu beigetragen, dass die Opfer anerkannt wurden, dass Verbrecher verfolgt wurden und dass wir uns alle – besonders in Deutschland – uns darauf besinnen durften, wie abgrundtief menschenverachtend und schrecklich Rechtsextremismus, Faschismus und Krieg ist.

Es ist immer ein großer Verlust, wenn die Zeitzeugen aussterben. Enrico Pieri ist aber aber für einige von uns auch ein teurer Freund geworden.

Enrico, der als Kind das Massaker von Sant‘Anna di Stazzema knapp überlebt hat, hat ansehen müssen, wie die Nazis seine ganzen Familie niedergemetzelt haben. Er hatte als Waisenkind kein einfaches Leben und war Arbeitsmigrant in der Schweiz. Wie viele andere Opfer hat er lange geschwiegen. Als die Verbrechen durch die späten Gerichtsprozesse wieder bekannter wurden, hat er sich eifrig bemüht, seinen Beitrag zu geben.

In Italien wurden Täter identifiziert und 2005 verurteilt. In Deutschland haben sie dagegen mehr oder weniger unbehelligt weiter leben dürfen, also wurde auch in Deutschland ein Prozess angestrebt. Da hat Enrico sich ohne Zögern als Nebenkläger in Name aller Opfer in Sant‘Anna di Stazzema zu Verfügung gestellt, obwohl das in ihm sehr schmerzhafte Erinnerungen geweckt hat.

Leider wurde dieser Prozess so lange verschleppt, bis bei den Tätern niemand mehr prozessfähig war.

In Sant‘Anna und auch als Gastredner in Deutschland hat Enrico sehr gerne mit  jungen Leuten gesprochen.

Wer ihn gehört hat, erinnert sich gern an seine klaren Worte ohne rhetorische Färbung, aber voll Echtheit und Emotionen.

Sein besonderen Anliegen war die Versöhnung der Völker. Wie er oft wiederholt hat, hat von seinem Sohn erwartet, dass er in der Schule Deutsch, die Sprache der Täter, als besonderes Versöhnungszeichen lernt.

Enrico war Präsident der „Associazione Martiri Sant’Anna di Stazzema 12 Agosto 1944“ und Vizepräsident der Deutsch-Italienischen Gesellschaft „Freunde der Friedensorgel Sant’Anna di Stazzema“

 

Als Anti-Rassismus-Telefon haben wir uns mit deutschen Kriegsverbrechen in Italien beschäftigt, weil ein angeblicher Täter des Massakers in Marzabotto in Essen lebte (er ist allerdings gestorben, bevor man ihm den Prozess machen konnte).

Archivseiten