Jahresrückblick 2023

Jahresrückblick 2023

Bericht des Anti-Rassismus-Telefons

Bericht für die Jahreshauptversammlung des Vereines am 27. Nov. 2023

Büro

Seit 29 Jahren bewegt sich das ART in einer Welt, die nicht so ist, wie wir sie uns wünschen. Aber selten war sie so düster wie in diesem Jahr.

Im zweiten Jahr des Krieges in der Ukraine kommt das Grauen in Israel und Palästina hinzu und sogar die Gefahr einer globalen, kriegerischen Auseinandersetzung.

Auch der deutsche Staat wird immer kälter und abweisender. Die Militarisierung nimmt zu. Und die Bedrohung von rechts wird immer drängender.

Von all diesen düsteren Themen haben wir uns eines für die Diskussion nach der eigentlichen Jahreshauptversammlung aufgehoben: Wir haben Klemens Ross um einen Input gebeten, um über die aktuellen Geschehnisse und Neuerungen in der Flüchtlingspolitik zu diskutieren.

Was die eigentliche Tätigkeit des ART anbelangt, so hat sie stattgefunden, aber sie entspricht nicht den Erfordernissen der Zeit, sondern ist durch die begrenzte personelle Ausstattung des ARTs limitiert. Trotzdem wollen wir versuchen, einen Überblick zu geben:

  • Beratung und Betreuung von Opfern; die Inanspruchnahme ist zurückhaltend, wir sind sozusagen „in einer Seitenstraße“. Die Einzelfälle sind jedoch immer recht aufwändig.

  • Unser Schulteam war auf Einladung einer Schule, anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 20. März bis zum 2. April, in Reken. Wir haben auch ein Flugblatt erstellt, um weitere Schulen mit unserem Angebot zu erreichen.

  • Die rechte Szene wird leider gefährlicher. Wir stützen uns hier auf die Kompetenz von ESSQ.

Polizei, Clan-Konstrukt und Asylkompromiss

Die Themen Polizei(gewalt) und rassistisches Clan-Konstrukt standen und stehen nach wie vor im Vordergrund.

Das Forum gegen Polizeigewalt & Repression rief am 29.01.2022 zu einer Demo in Wuppertal auf, wo ein Migrant im Polizeigewahrsam ums Leben kam: „Gerechtigkeit für Georgios und alle anderen Opfer staatlicher Gewalt“. Wir haben teilgenommen.

Es gab einen Wechsel an der Spitze der Polizei in Essen, nicht zum Guten: Der „Neue“ erklärte sich zum „Clan-Experten“ und scheint sich, wie auch sein Vorgänger, nicht an rechten Chats bei der Polizei zu stören. Wir diskutieren, wie wir eine Veranstaltung über die Polizei machen können. Es fehlt weniger an Ideen als an materiellen Mitteln.

Das rassistische Clan-Konstrukt ist in Essen nach wie vor zentral, wie ein Blick in die lokale Presse zeigt. Erinnern wir uns: Am 13.12.2022 wurde Andreas Stüve zum neuen Essener Polizeipräsidenten ernannt und trat sein Amt mit den Worten an: „Zugleich freue ich mich darauf, meine bisherigen Erfahrungen, insbesondere bei der Bekämpfung der Clankriminalität, in Essen einbringen zu können“.

Die rassistische Zuschreibung ist nach wie vor vorhanden und stellt eindeutig eine Gefahr für unsere Demokratie dar (z. B. der Vorschlag von politischen Akteuren, Menschen auszuweisen, die keine Straftat begangen haben, aber einer bestimmten, als „Clan“ deklarierten Menschengruppe, angehören).

Zu dem Thema Clan-Konstrukt haben wir etwas „auf die Füße gestellt“: die Autoren Mo Chahrour und Marcus Steiger lasen aus ihrem Buch „Dakhil – Inside arabische Clans“. Sie waren zwar schon bei der Didf in Essen, aber leider wurde diese Veranstaltung viel zu wenig beachtet. Wir haben Hoffnung, vor allem durch die Zusammenarbeit mit der VVN und der evangelischen Gemeinde, mehr zu erreichen. (Die Veranstaltung fand am 23.11.2023 statt, Ergebnisse konnten somit noch nicht herausgearbeitet werden).

Flyer

Ein weiteres Thema in diesem Jahr:

Asylrecht ist Menschenrecht!

30 Jahre „Asylkompromiss“

Auftaktveranstaltung zur internationalen Woche gegen Rassismus

Flyer

Vor 30 Jahren verabschiedete die damalige Bundesregierung den sogenannten Asylkompromiss, der eine Aushöhlung und faktische Abschaffung des Asylrechts bedeutete. An dieses Datum, das mit rassistischen Ausschreitungen gegen Flüchtlinge und Migranten verbunden war, haben wir erinnert.

Tatsächlich ist uns das mit einer „Aktion auf der Straße“ am 18.03.2023, in Kooperation mit AGR und anderen Organisationen, gelungen.

Während der Kundgebung zog eine Demo gegen die RWE AG an unserem Standort vorbei. Uns war von Anfang an bewusst, dass Klimaschutz und Flüchtlingsschutz viele Berührungspunkte haben. Uns war darum die Solidarisierung sehr wilkommen.

Als Auftakt haben wir das gemeinsame Statement von 62 Organisationen „Es gibt nur eine Menschenwürde – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!“ unterstützt.

Aktionen

  • Am 19. Februar hat die Didf aufgerufen: „Zwei Jahren nach Hanau – kein Vergeben, kein Vergessen“. Wir haben teilgenommen. Flyer

  • Wir haben einen Versuch unternommen in Steele eine Ansprechstelle für von Rassismus Betroffene zu etablieren: gerade in Steele, weil wir davon ausgehen müssen, dass dieser Stadtteil wegen der organisierten rechten Szene ein besonders gefährlicher Ort für potentielle Opfer von Rassismus werden könnte. Wir haben es bei einer Veranstaltung von „Der Nachbarschaftsladen“ am 26.03 dargelegt. Positive Resonanz – aber bis heute keine Konsequenzen.

  • Leider nur als Beobachter haben wir uns auch gegen das „Nordrhein-Westfälische Versammlungsgesetz“ engagiert. Auch hier waren wir personell beschränkt, obwohl wir dieses Gesetz als Hindernis für unsere Arbeit, die viel durch Versammlungen in der Öffentlichkeit geschieht, sehen.

  • Am 23.3., im Rahmen der „internationalen Wochen gegen Rassismus“, veranstaltete Yekmal e.V. einen Info- und Diskussionsabend zum Thema Rassismus und Empowerment in der Migrationsgesellschaft im Allgemeinen und dem anti-kurdischen Rassismus im Besonderen. Anabel hat die Moderation gemacht.

  • Am 1. Mai waren wir traditionell bei der DGB Kundgebung und auf der Zeche Carl vertreten.

  • Am 11.07. fand das Kreischfestival in Frohnhausen statt. Veranstaltet von einem queer- und transfeministischen, antirassistischen & antifaschistischen Kollektiv. Wir haben mit einem Büchertisch teilgenommen und aus Kinderbüchern vorgelesen.

  • Am 06.08. waren wir beim Umzug im Rahmen des CSD anwesend.

  • Am 7.9. hat Anabel einen Workshop „Antirassistische Arbeit mit geflüchteten Menschen“ in Recklinghausen durchgeführt.

  • Im November haben wir an einer Informationsveranstaltung anlässlich der Einrichtung einer „Übergangseinrichtung“ für Geflüchtete in der Franziskanerstr. teilgenommen.

Gedenktag zum 09. November

Am Gedenktag des 09. November haben wir uns auch beteiligt. In diesem Jahr hatten wir schon vorher an einer Veranstaltung am Europäischen Holocaust-Gedenktag zu Erinnerung an ermordete Sinti und Roma (02.08.) teil-genommen. Rund 500.000 Roma/Romnija und Sinti/Sintizze wurden während des Holocaust ermordet – Opfer einer rassistischen Verfolgungspolitik deutscher und österreichischer Nationalsozialisten und ihrer faschistischen Verbündeten. Roma/Romnija und Sinti/Sintizze nennen diesen Genozid „Porajmos“, was „Verschlingung“ oder „Zerstörung“ auf Romani bedeutet.

Bei der Veranstaltung haben wir erfahren, dass in der Schlenhofstraße/Reckhammerweg ein „Zigeuner“-Lager existiert hat. Die Stadt Essen erinnert dran mit einer Tafel, die durch die umstehende Bäume verunreinigt und kaum lesbar war. Darum wollten wir an diesem Tag, bei dem überall Stolpersteine und sonstige Erinnerungsmarken öffentlich gereinigt werden, uns der Tafel annehmen. Durch Walter, der uns eine kleine Information zu den Essener Sinti und Roma vorgetragen hat, haben wir dann gewusst, dass dies nicht der einzige gedenken würdige Ort in Essen ist, aber die andere Standorte bis jetzt nicht berücksichtigt wurden. Darum haben wir zusammen mit der VVN-BdA und mit Unterstützung von Walter einen Brief an den Bürgermeister verfasst, der demnächst fertig sein wird. Darin bitten wir um die Erstellung von wenigstens einer weiteren Tafel.

Am gleichen Tag konnten wir noch an die Aktion der VVN, „Scherbenspuren“ teilgenommen.

Vernetzungsstelle

Eine unserer Zielsetzungen ist es, die Akteure der antirassistischen Arbeit in Essen zu vernetzen.

Wir geben uns Mühe, im Bündnis ESSQ aktiv anwesend zu sein. Die rechte Szene wird auch in Essen immer vielfältiger und gefährlicher.

In diesem Jahr hat auch die Zusammenarbeit mit AgR und mit der VVN-BdA gut geklappt. Eine neue Kooperation haben wir mit Yekmal bei einem Internet-Treffen am 24.04. vereinbart.

Yekmal e. V. wurde 1993 von kurdischen Eltern, Lehrer*innen und Pädagog*innen als gemeinnütziger Verein mit dem Ziel der Förderung von Partizipation und Bildung vorrangig von Familien mit Migrationsgeschichte und kurdischer Herkunft gegründet.