CHRONIK: Polizeigewalt, rechte Tendenzen und Widerstand in Essen

CHRONIK: Polizeigewalt, rechte Tendenzen  und Widerstand in Essen

Vorwort

Es ist schwer, einen Gesamturteil über das Verhalten der Polizei zu geben. Die Vertreter der Staatsgewalt haben verschiedenste Aufgaben zu erfüllen, immer ist das Verhalten der Polizei vom Machtgefälle gegenüber den Bürgern geprägt.

Als Träger der Staatsgewalt erwarten viele von der Polizei, dass sie für ihre Sicherheit sorgt. Polizeigewalt ist dabei ein besonderes Problem.

Für Betroffene ist es oft besonders traumatisierend, wenn sich eine Sachlage ins Gegenteil dreht; wenn die, die sie eigentlich beschützen sollten, sich als Gefahr entpuppen.

Wenn ein bestimmter Teil der Bevölkerung (wie PoC, Migranten(-kinder) und Flüchtlinge) sich von Staatsvertretern mehr bedroht als geschützt sieht, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt in Frage gestellt – und damit steht die friedliche und gleichberechtigte Gesellschaft auf dem Spiel.

Wir kritisieren die mangelnde Transparenz beim Handeln der Polizei, die in deren Unkontrollierbarkeit mündet. Wir wünschen uns eine bessere Polizeiausbildung, und wir wünschen uns, dass kritische Vorfälle wirklich ernsthaft nachbearbeitet werden.

Das ist besonders deutlich, wenn Polizisten oder Polzist:innen beschuldigt werden. Nur ein minimaler Teil der Vorfälle kommt überhaupt zur Anzeige, weil die die Betroffenen dann mit gutem Grund befürchten müssen, ihrerseits beschuldigt zu werden (z.B. wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt). Diese Verdrehung von Täter und Opfer konnten wir auch bei der Essener Polizei erkennen und es scheint sehr oft als Einschüchterungsmethode verwendet zu werden. Selbst, wenn es zur Anzeige kommt, sind die Erfolgsaussichten extrem klein: Polizeistraftäter werden extrem selten schuldig gesprochen.

Siehe dazu zum Beispiel den Zwischenbericht im Forschungsprojekt zu rechtswidriger Polizeigewalt  von der Ruhr-Universität Bochum.

Schlussfolgerung

In der Summe ergibt sich ein erschreckendes Bild: Offenbar  fühlt  die Essener Polizei , als ob  sie keiner demokratischen Kontrolle der Gesellschaft unterworfen sei. Wir dürfen es gesellschaftlich nicht hinnehmen, dass das Fehlverhalten einzelner Beamte dafür sorgt, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Angst haben muss vor der eigenen Polizei . Auch sind wir verwundert, dass diese für beide Seiten belastende Situation innerhalb der Polizei immer noch kaum sichtbare Folgen hat.

Unsere Sympathie und Solidarität gilt allerdings in erster Linie den Opfern: Den Menschen, die unberechtigt verfolgt und drangsaliert werden, die sich ständig verdächtigt und grundlos kontrolliert sehen.

Jeder einzelne Polizist und jede einzelne Polizist:in ist heute gefordert, sich couragiert zu zeigen. Solche „Kollegen“ müssen gestoppt werden. Durch ihr unrechtes Verhalten vergiften sie ein friedliches Zusammenleben.

im folgenden Text …

Wir versuchen hier, eine möglichst vollständige Essener Chronik darzustellen. Aus der Beratungsarbeit sind uns weitere Vorwürfe bekannt, die wir hier nicht veröffentlichen können. Es  stehen uns aber auch bei weitem nicht alle Informationen zur Verfügung und der Beobachtungszeitrum ist extrem lang. Einige prägnante Beispiele müssen aber erwähnt werden.

Als Anti-Rassismus-Telefon legen wir den Schwerpunkt auf die Polizeigewalt gegen Menschen, die oft Opfer von Rassismus sind. Andere Vorfälle (z. B. im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Rechts oder von Umweltaktivi werden hier nicht aufgeführt.)

30.06.1989: Der 13-jährige Kemal C. wird erschossen

Wir fangen mit einem Ereignis, das zwar lang her ist, wegen seiner erschreckenden Bedeutung unvergessen bleibt: Der 13.Jährige Kemal wird nach einer Verfolgungsjagd von der Essener Polizei erschossen.

Kemal hatte mit einem nicht versicherten Moped ein kleines Unfall gebaut. Die Polizei wird gerufen, er flüchtet, sein Freund bleibt vor Ort (somit ist seine Identität bekannt). In einer Rangelei mit einem Polizisten bekommt Kemal die Pistole eines Polizistes zu fassen und flüchtet damit. Ob er je damit geschossen hat, weißt man nicht. Er flüchtet in eine Gartenanlage, die Grünlage wird umzingelt.

Was dann folgt ist nicht ganz klar: Sicher scheint zu sein, dass kein Versuch gemacht wurde, seinen jugendliches Alter zu berücksichtigen, und dass seine Familie nicht dazugeholt wurde.

Noch bevor das herbeigerufene SEK eintraf, wurde Kemal von den ihn umzingelnden Polizisten mit mehreren Schüssen getroffen. Er verstarb noch vor Ort.

Die Mutter von Kemal erstattete Strafanzeige. Aber es kam nicht zu einer Verhandlung.

* Weitere Informationen zu Vorfall liefert die  Broschüre des Arbeitskreises zur Unterstützung der Ermittlungen im Fall Kemal C. vom 28.06.1990   Permalink

 

05.12.2000: Alkoholisierte Polizisten randalieren bei McDonalds

Außer Dienst randalieren zwei alkoholisierte Polizisten bei McDonald’s. Sie beleidigen und verletzen drei Mitarbeiter. Der folgende Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung endete am 31.10.2001 vor dem Schöffengericht mit einer Einstellung wegen „geringer Schuld“. Bis dahin sollen sich die Täter nicht nicht einmal bei den Opfern entschuldigt haben.

Der damalige Polizeipräsident erklärte, dass ein Dienstaufsichtsverfahren weiter geführt wurde. Zum weiteren Verlauf liegen uns keine Informationen vor.

Weitere Informationen dazu:
* Presseerklärung des Anti-Rassismus-Telefons vom 01.11.2001(Permalink)
* Pressebericht: NRZ von 31.10.2001 (Permalink)
* Kommentar von Stefan Wette in der WAZ von 31.10.2001 (Permalink)

31.07.2012 Dunkle Hautfarbe ist Grund für Racial Profiling

Ein Essener mit dunklerer Haut beklagt in der Presse, dass et ständig von der Polizei kontrolliert wird. Und die wird auch fündig: so findet sie bei den Autodurchsuchungen auf der Tasche auf dem Rücksitz dann auch ein Taschenmesser (dass er beruflich benutzte) und ein Ermittlungsverfahren läuft.

* Weitere Informationen dazu im Artikel der WAZ vom 31.07.2012: „Ständige Kontrolle durch Polizei“

Hier haben wir es mit einem relativ frühen Beleg von Racial Profiling bei der Essener Polizei zu tun: „Racial profiling“ ist ein verbotenes Verfahren, „nach dem eine Person anhand von Kriterien wie „Rasse“, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft als verdächtig eingeschätzt wird und nicht anhand von konkreten Verdachtsmomenten gegen die Person“ (Wikipedia:Racial_Profiling)Im Zeitungsartikel wird dieses Problem deutlichst ignoriert: „Was die Kontrollen betrifft, versteht Polizeisprecher Raymund Sandach den Unmut. Gibt aber zu bedenken, dass bei der Polizei Maßnahmen gegen Rauschgiftdealer laufen, und das seien regelmäßig Schwarzafrikaner und Libanesen, Dass man mit dunkler Haut ins Visier gerate, könne Pech sein.“

20.05.2014 Libanesen werfen Polizisten Misshandlung vor

Ein Polizeieinsatz im Familienstreit endet mit massiven Gewaltvorwürfen gegen die Polizei, die ihrerseits ein Gerichtsverfahren wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt in Gang setzen. Vor Gericht verstricken sich die Aussagen der Polizisten in Widersprüche und die Betroffenen der Familie werden erstintanzlichfreigesprochen.

* Weitere Informationen dazu im WAZ/NRZ Artikel vom 20.05.2014

27.04.2017 Mike Haile aus Eritrea wurde erschossen

Mike Haile war Anfang 20, lebte alleine und zurückgezogen. Wegen angeblicher Ruhestörung hatten Nachbarn die Polizei gerufen. Mike Haile wurde in seiner Wohnung erschossen. Die Ereignisse lassen mehrere Fragen offen, die nie beantwortet wurden.

* Weitere Informationen dazu im Artikel der WAZ/NRZ vom 27.04.2017

Von der Polizei gedemütigt, ignorant und rassistisch behandelt fühlten sich die Hinterbliebenen (die Schwester war extra aus England eingereist) und Freunde von Mike Haile. Rund um die Obduktion und Freigabe des Leichnams von Mike Haile hat sich die Strafverfolgungsbehörden skandalös verhalten.

Zuletzt gab es am 27.04.2021 eine Kundgebung zum 4. Jahrestag des Vorfalles. Zusammen mit dem „Bündnis Mike & Adel gegen rassistische Polizeigewalt“ hat das Anti-Rassismus-Telefon daran teilgenommen. Am Westendorfplatz, in unmittelbarer Nähe seiner damaligen Wohnung, wurde Aufklärung und Gerechtigkeit gefordert – für Mike, für Adel B. und für alle anderen Opfer rassistischer Polizeigewalt

18.06.2019 Adel B. wird erschossen

Auch Adel B., ein Deutscher mit einem algerischen Elternteil, wurde von der Polizei erschossen. Ausgelöst wurde der Polizeieinsatz, weil man bei dem psychisch Erkrankten davon ausging, dass er sich selbst gefährde. An seiner Haustür wird er durch einen Schuss der Polizei getötet.

* Weitere Informationen dazu Artikel der WAZ/NRZ vom 19.06.2019

Die Beamten wollen in Notwehr reagiert haben. Auch in diesem Fall gab es sonderbare Widersprüche zwischen den Polizeiberichten und den Beobachtungen von Zeugen.

Weitere Informationen dazu im
* Artikel der WAZ/NRZ vom 31.07.2019
* Artikel der WAZ/NRZ vom 31.08.2019

Obwohl die Staatanwaltschaft den Fall abgewiesen hat, bleiben erhebliche Zweifel haben über der Gang der Ereignisse.

* Weitere Informationen dazu im Artikel der WAZ/NRZ vom 09.06.2020

Die Familie, die Freunde von Adel, und alle, die nicht von der angeblichen Notwehr überzeugt sind, haben inzwischen schon mehrmals in der Öffentlichkeit protestiert.

04.03.2020 Diebstahlsanzeige endet in Beleidigung und Verletzungen

Eine Frau dunklerer Haut geht mit ihren zwei Töchtern zur Essener Innenstadtwache, um einen erlittenen Diebstahl anzuzeigen. Die ganze Sache endet tragisch: nach Beleidigungen und Streitigkeiten kommt der Sohn zu Hilfe. Dieser wird verletzt und wegen Widerstand und Beleidigung angezeigt.

Auch in diesem Fall gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen dem offiziellen Narrativ der Polizei  (hier die Pressemitteilung der Polizei vom 09.03.2020) und dem, was die Zeugen über erlittenen Misshandlungen erzählen, bzw was die dokumentierte Verletzungen zeigen..

In Februar 2021 berichtet die Presse, dass  der Sohn, der selbst Opfer von Gewalt gewesen war und eindeutige Spuren davon getragen hatte, wegen Widerstands und Beleidigung angezeigt wurde, während die entsprechende Anklage gegen die Mutter hingegen wegen Geringfügigkeit eingestellt worden sei. „Die Verfahren gegen die beschuldigten Polizisten seien nach wie vor allesamt offen.“

Die Vorfällen sollten von einer „neutrale“ Stelle: die Polizei von den Nachbarstadt Bochum untersucht werden. Über Ergebnis der Untersuchung des Vorfalles durch die Bochumer Polizei haben wir bis heute (Mai 2021) nichts gehört. Die Betroffenen sind unseres Wissens nach auch nie von einer untersuchender Stelle angehört worden.

* Weitere Informationen dazu im Artikel der WAZ/NRZ vom 06.02.2021

25.04.2020 Polizeiprügel bei Ruhestörung

Eine weitere Familie wirf der Polizei Gewalt vor. Die Polizei, angeblich wegen Ruhestörung gerufen, erkämpft sich gewaltsam Eintritt in eine Wohnung. Die Familie wirft der Polizei brutales Vorgehen vor, die Polizei dagegen stellt – wie ja immer – von Widerstand gegen Staatsgewalt fest. Es steht Aussage gegen Aussage, doch die dokumentierten Verletzungen bei mehreren Familienmitgliedern sprechen eine andere Sprache.

* Weitere Informationen dazu im RTL-Online-Bericht vom 29.04.2020

29.04.2020 Offener Brief des Anti-Rassismus-Telefons

In einem offenen Brief an den Essener Polizeipräsident Frank Richter drückt das Anti-Rassismus-Telefon seine Sorge aus, dass eine unverhältnismäßige Gewalt gegenüber Bürgern mit Migrationshintergrund stattfinded.

* Weitere Informationen dazu im Offenen Brief an Polizeipräsident Frank Richter vom 29.04.2020

14.05.2020 Polizeipräsident trifft sich mit dem Anti-Rassismus-Telefon

Zwei Wochen zuvor hat das Anti-Rassismus-Telefon in einem offenen Brief Polizeigewalt kritisiert und Gesprächsbereitschaft bekundet. Darauf wird eingegangen und Vertreter des Anti-Rassismus-Telefons treffen sich mit dem Polizeipräsidenten und mit Frau Richter, von der Pressestelle der Polizei.
Ergebnis: für die Betroffenen, mit denen das Anti-Rassismus-Telefon im Gespräch ist, hat sich im dem Gespräch nichts Zufriedenstellendes ergeben.

25.05.2020: Nach dem Polizeimord an George Floyd: Essen reagiert

Mit dem Mord an George Floyd vor laufender Kamera wird „Black Lives Matter“ in Deutschland und auch in Essen zum zum öffentlichen Thema. Unangemessenes Verhalten der Polizei wird allgemein wichtiger genommen. Es wird mehrfach in in Essen gegen rechte Polizisten und gegen Polizeigewalt demonstriert. Die Eigenmobilisierung der Opfer von Rassismus stärkt das allgemeine Bewusstsein. An die Mehrheit, die ja nicht direkt von Rassismus betroffen ist, wird z.B. zunehmend deutlicher der Anspruch gestellt, dass sie sich dieses Privilegs bewusst werden sollen und sich gegen Rassismus mitsolidarisieren sollen.

Auf einer Kundgebung von „Black Lives Matter“ vor dem Essener Klinikum spricht auch eine Vertrauensfrau von Ver.di. Sie zeigt auf, dass nicht nur in der USA, sondern auch in Deutschland, Probleme mit rassistischer Polizeigewalt existieren.

Es folgen ausführliche, teilweise unsägliche Polemiken in Lokalpresse und Stadt. Unter anderem wird berichtet, dass Oberbürgermeister Thomas Kufen sich „hinter der Polizei“ stellt.

Das Anti-Rassismus-Telefon solidarisiert öffentlihch.

Weitere Informationen
* Pressemitteilung des Anti-Rassismus-Telefon vom 12.06.2021
* offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen vom 14.06.2021

13-06-2020 Polizeipräsident betreibt Täter-Opfer-Umkehr

Der Essener Polizeipräsident behauptet in der lokalen Presse:

„Betroffene polizeilicher Maßnahmen wollen hier sehr häufig durch den Missbrauch des Vorwurfs von Polizeigewalt und Rassismus vom eigenen Fehlverhalten ablenken. So macht sich der Täter zum Opfer. In der Öffentlichkeit – gerade in der digitalen – finden diese dann leider auch dankbare Abnehmer, die völlig undifferenziert Darstellungen übernehmen, diese nicht hinterfragen und sie im Ergebnis als einzige Wahrheit werten.“

Das Anti-Rassimus-Telefon empfindet das als Hohn für die Betroffenen von Polizeigewalt

* Das gesamte Interview in der WAZ/NRZ vom 13.06.2020

20-06-2020  Altendorfer Solidaritätsdemonstration wird kritisiert

Viele Organisationen riefen  auf zu einer Demonstration am 1. Jahrestag der Tötung von Adel B und um sich gegen  Polizeigewalt zu stellen.

* Weitere Informationen dazu auch im Aufruf des Anti-Rassismus-Telefons

Dort wurde in verschiedenen Reden sehr deutlich das tägliche Leid der Teile der Bevölkerung ausgedrückt, die ständig Polizeiverdächtigung (z.B. Racial Profiling) und  Polizeigewalt ausgesetzt sind.

In der lokalen Presse wurde das extrem einseitig als ungerechtfertigter  Angriff auf die Polizei dargestellt., die „Hasstiraden“  gegen die Polizei seien  skandalös.

* Weitere Informationen dazu auch in der empörten  Pressemitteilung des Anti-Rassismus-Telefons vom 22.06.2020

Einige Tage darauf hat sich der  Rat der Stadt bedenkenlos hinter die Polizeikräfte gestellt. Und die Presse liefert.

* Weitere Informationen dazu der Lesebriefprotest des Anti-Rassismus-Telefons vom 29.06.2020

 26.06.2020 Polizist propagiert in der Presse „Racial Profiling“

In Zusammenhang mit den Polemiken und mit der Unzufriedenheit der PoCs  beklagt sich ein Polizist,  dass die Arbeit der Polizei, seiner Meinung nach zu Unrecht oft abgelehnt wird. Dabei charakterisiert er in altbewährter Weise die Stadtteile, wo viele Migranten wohnen, pauschal als Orte der Parallelgesellschaft.

Und so nebenbei bestätigt er, dass Racial Profiling übliche Paxis der Essener Polizei ist:

„Die polizeiliche Erfahrung zeigt, dass man am Rheinischen Platz nicht die Oma nach Drogen durchsuchen muss, sondern Schwarzafrikaner“

* Weitere Informationen dazu im Artikel der WAZ/NRZ  vom 26.06.2020

16-09-2020  rechtsextreme Chats bei der Polizei Essen/Mülheim entdeckt

Schon lange vorher wurde immer wieder über bedenkliches Fehlverhalten der Polizei berichtet. Wenn man diesen Vorfällen einem politisches Motiv hätte zuordnen wollen, hätten die Vorfälle natürlich nur auf eine einerechtsextreme Gesinnung hingedeutet. Aber es herrschte  bei der lokalen Presse und bei Teilen der Politik, bis zum Innenminister Reul,  großes Erstaunen – als handele es sich um vollkommen unerwartete Ereignisse!

 Weitere Informationen dazu
* in der  Pressemitteilung des Anti-Rassismsus-Telefons vom 16.09.2020
* im Artikel von Deniz Yücel  in der Welt vom 21.09.2020

In den folgenden Monaten zieht der Skandal weitere Kreise. Vorwürfe und Gegenvorwürfe nehmen in der lokalen Presse einen breiten Raum ein.

Es wundert uns nicht in mindestens, dass die Stimmung besonders bei Migranten und PoCs gegenüber der Polizei nicht wirklich freundlich ist – immerhin haben sich deren schlimmste Befürchtungen bestätigt!

Solange (immer noch) kein wirklicher Wandel bei der Polizei feststellbar ist sind die Polizeieinsätze heute natürlich nur umso mehr konfliktbeladen.

Ein Beipiel eines eskalierten Einsatzes findet sich  im Artikel  der WAZ/NRZ vom 21.09.2020

22-09-2020 Trotz Prügelverdacht wird das Gerichtsverfahrens eingestellt

Gerade eine Woche nach dem Bekanntwerden der rechten Chats wird vor Gericht wieder ein Verfahren wegen Prügelverdacht eingestellt.

Später allerdings sagt eine couragierte Polizeibeamtin aus, dass sich Polizeikollegen in diesem Fall offenbar durch Falschaussagen gedeckt haben.
Wenn der Chorgeist der Polizeitruppe ansonsten selbst vor Falschaussagen nicht halt macht, so ist es doch bemerkenswert selten, dass hier ein Korrekturversuch aus den eigenen Reihen gestartet worden ist.
So einheitlich sich die Polizei auch präsentiert: Beim Kritisieren sollte man also berücksichtigen, dass die Vorwürfe pauschal nicht auf alle Polizisten zutreffen.

Weitere Informationen dazu
* im Artikel der WAZ/NRZ vom 22.09.2020
* im Artikel der WAZ/NRZ vom 26.10.2020

11-02-2021 Verkehrskontrolle endet in Prügelei

Drei Männer im PKW geraten in einer Verkehrskontrolle. Die Situation eskaliert und endet in Gewalt. Dieses mal gibt es Handyaufzeichnungen, die die Beleidigungen und das brütale Verhalten der Beamten belegt. Mit der üblichen Anzeige gegen zwei Betroffene wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ sieht man sich vor Gericht wieder. Doch in der Hauptverhandlung wendete sich das Blatt. Auf Grundlage der vorhandenen Beweise kritisiert die Richterin das Vorgehen der Beamten und prangert im Gerichtssaal die „Gewalt der Polizei“an.

Ob es ohne das Chatskandal zu Strafverfahren gegen die Polizisten gekommen wäre, können wir nur mutmassen.

* Weitere Informationen dazu
* im Artikel der taz vom 07.01.2021 („Das darf sich unser Rechtsstaat nicht bieten lassen“)

* im Artikel der WAZ/NRZ vom 11.02.2021

In der TAZ vom 6.1.2021 wird ein möglicher Zusammenhang zwischen den Fällen deutlich:

„Mirko W., Matthias K. und ein weiterer am Einsatz beteiligter Beamter wurden nach Recherchen der taz in einem weiteren Fall von mutmaßlich rassistischer Polizeigewalt angezeigt. Loveth A., eine 50-jährige Schwarze Frau aus Mülheim, ging im März 2020 mit ihren Kindern in die Polizeiwache Essen Mitte. Sie wollte Anzeige erstatten, weil ihr das Portemonnaie gestohlen wurde.“

https://taz.de/Mutmassliche-Polizeigewalt-in-Essen/!5742324/

18-06-2021 Polizist wegen Körperverletzung im Amt  verurteilt

Ein Polizist der Mülheimer Wache ist wegen Körperverletzung im Amt zu einer neunmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Gegen ihn wird auch wegen Teilnahme an rechten Chats ermittelt.

Er hat zugegeben, einen gefesselten Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben.

Das Opfer war ein Deutsche  mit montenegrinischen Wurzeln.

Wie die WAZ berichtet,  wurden nach dem Vorfall   die Ermittlungen gegen den Polizisten zunächst
eingestellt, stattdessen kam das Opfer der Schläge vor Gericht – wegen
Falschbeschuldigung. Im Prozess brachen dann zwei Polizistinnen ihr Schweigen und belasteten ihren
Kollegen. Eine Streifenkollegin des Angeklagten hatte geholfen, den Übergriff anderthalb Jahre lang
durch falsche Aussagen zu vertuschen.

* Weitere Informationen dazu
* im Artikel der WAZ 18-06-2021
* ausführlicher Bericht: „Die Geschichte einer Lüge in Uniform“ WAZ, 26.07.2021